Bei einem lokal begrenzten Prostatakrebs (d.h., der Krebs beschränkt sich bisher auf Bereiche innerhalb der Prostata und ist bisher nicht über die Prostatakapsel gewachsen) ist eine aktive Überwachungsstrategie (engl.: active surveillance) eine mögliche therapeutische Strategie. Leider wird davon noch zu selten Gebrauch gemacht und oftmals nach dem Prinzip verfahren, .“.. am besten gleich operieren…“.
Bei der aktiven Überwachungsstrategie erhält der Patient lediglich eine pharmakologisch wirksame Substanz, die den hormonellen Einfluss des männlichen Hormons Testosteron bzw. dessen Stoffwechselprodukts Dihydrotestosteron (DHT) auf das Prostatagewebe bremsen soll. Diese hochwirksamen Substanzen sind als 5-alpha-Reduktase-Hemmer bekannt. Die beiden bekanntesten Substanzen sind Finasterid und Dutasterid. Beide Substanzen sind bisher eigentlich nur für die Therapie der gutartigen Prostatavergrößerung (BPH) zugelassen. Die Verwendung dieser Substanzen im Rahmen einer aktiven Überwachungsstrategie bei einem Prostatakrebs fällt unter den Begriff „off-label-use“. Das kann zur Folge haben, dass die Krankenkassen die Kosten für das Medikament nicht erstatten.
In einer im Februar 2012 veröffentlichten Studie konnte gezeigt werden, dass bei Prostatakrebs-Patienten, die sich für die Strategie des aktiven Überwachens entschieden und die Substanz Dutasterid über 3 Jahre eingenommen hatten, seltener ein Fortschreiten der Krebserkrankung beobachtet wurde. Der Vorteil gegenüber den Patienten, die lediglich ein Plazebo (Scheinmedikament) erhalten hatten, lag bei 10%. Anders ausgedrückt: in den 3 Beobachtungsjahren wurde bei 48% der Patienten unter Plazebo ein Fortschreiten des Prostatakrebs beobachtet, in der Dutasterid-Gruppe bei 38%.
Meine Meinung dazu:
Ein wirklich effektives Mittel zur Verhinderung des weiteren Fortschreitens des Prostatakrebs sind die 5-alpha-Reduktase-Hemmer, speziell das hier getestete Dutasterid, nicht.
Die bekannten Nebenwirkungen von Dutasterid sind:
Erektile Dysfunktion: ca. 6%
Verminderte Libido: ca. 4%
Ejakulationsstörungen: ca. 2%
Da die Substanz Dutasterid relativ lange im Blut bleibt (lange Plasmahalbwertszeit von 5 Wochen), können die genannten Nebenwirkungen noch Monate nach Absetzen des Medikamentes vorhanden sein. Jeder muss deshalb für sich selbst entscheiden, ob der meines Erachtens geringe Vorteil von 10% die Nebenwirkungen und damit die Einschränkungen der Lebensqualität rechtfertigt.
Ein weiterer Aspekt, den ich bei der aktiven Überwachungsstrategie des lokalen Prostatakarzinoms zur Diskussion stellen möchte, ist die Biopsie der Prostata (Probenentnahme aus der Prostata). Vielleicht wären die Ergebnisse der aktiven Überwachungsstrategie generell besser, wenn nicht biopsiert würde. Das Fortschreiten, das Wachstum eines suspekten Gewebebereichs in der Prostata, kann man doch auch anders beobachten: z.B. durch MRT mit/ohne Rektalspule (MRT = Kernspintomographie). Wenn man dieses Verfahren dann noch koppelt mit der Bestimmung spezieller Stoffwechselprodukte in den suspekten Gewebebereichen der Prostata, dann kommt man mit dieser nicht-invasiven Diagnosestrategie ebenfalls zu einem aussagekräftigen Ergebnis.
Mir kommt es so vor, als ob die Biopsie, die zudem noch von jedem Urologen durchgeführt werden kann, deshalb das Standardverfahren in der Urologie ist, weil sie volkswirtschaftlich kostengünstiger ist als die nicht-invasive MRT-Untersuchung der Prostata. Für welches Verfahren sich der betroffene Prostatapatient letztendlich entscheidet, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Alternativen man ihm zur Biopsie nennt. Hier gehen derzeit die Leitlinien in Richtung Biopsie. Entscheiden Sie als Patient nach umfassender Aufklärung (dazu soll auch dieser Artikel beitragen), welches Diagnoseverfahren gewählt werden soll. „Es gibt mehrere Wege nach Rom“. (Winfried Miller)