Ein industrie-unabhängiges wissenschaftliches Institut für Medizin in den USA hat kürzlich eine Zusammenfassung der tatsächlich belegten Fakten zum Thema Lyme-Borreliose veröffentlicht. Das Institut kommt zu dem Ergebnis, dass erschreckend häufig falsche Vorstellungen und Missverständnisse in der Diskussion um eine Borrelien-Infektion vorherrschen.
1. Die häufige Behauptung, dass die meisten Borrelien-Infektionen mittels eines Bluttests (Antikörpertest) nicht nachweisbar seien, ist falsch.
Wenn der IgG-Antikörpertest zu früh durchgeführt wird (vor Ende der 6. Woche nach dem Zeckenstich), dann können diese Suchtests tatsächlich negativ ausfallen. Wer nach den sechs Wochen Symptome hat, die auch bei einer Borreliose vorkommen können, der Serumtest aber keinen erhöhten Antikörpertiter zeigt, der hat mit großer Wahrscheinlichkeit keine Borreliose. Eine Borreliose-spezifische Therapie ist hier deshalb nicht zu rechtfertigen. Hier muss man sich auf die Suche nach anderen Ursachen für die Beschwerden machen.
2. Bei Patienten mit monatelanger Beschwerdesymptomatik lässt sich manchmal nur noch IgM-Antikörper nachweisen. Diese Aussage ist falsch!
Patienten, die tatsächlich eine Borrelien-Infektion durchgemacht haben, sollten nach spätestens sechs Wochen IgG-serumpositiv sein. Nachgewiesene isolierte IgM-Antikörper sind in der späteren Phase einer Borrelien-Infektion fast immer falsch-positiv.
3. Wenn nach einer vorschriftsmäßigen Antibiotika-Therapie einer Borrelien-Infektion, die Antikörper-Tests immer noch positiv (erhöht nachweisbar sind), dann wurde die Antibiotikatherapie nicht ausreichend lang durchgeführt. Diese Aussage ist falsch!
Die Antikörpertiter bleiben nach einer ordentlich durchgeführten Antibiotikatherapie (zwei bis vier Wochen) teilweise noch Jahrzehnte nachweisbar, ohne dass tatsächlich eine Borrelienaktivität vorhanden ist. Nochmalige oder längere Antibiotikatherapie ändert nichts am Verlauf einer Borreliose.
4. Wenn wegen einer anderen bakteriellen Infektion ein Antibiotikum genommen wurde, können Borrelien-Antikörpertests negativ ausfallen. Diese Aussage ist falsch!
Eine immunologische Antwort im Sinne einer Antikörperbildung wird durch eine Antibiotikatherapie nicht unterdrückt/verhindert. Selbst nach einem frühzeitigen Beginn einer Antibiotikatherapie auf der Basis eines nachgewiesenen Erythma migrans (Wanderröte) kommt es bei den meisten Borrelien-Infizierten zu einer Antikörperbildung.
5. Die Lyme-Borreliose kann nur auf der Basis verschiedener Symptome gestellt werden. Diese Aussage ist falsch!
Das einzige Symptom mit hoher Diagnosesicherheit ist der Nachweis eines Erythema migrans (Wanderröte).
Eine Lähmung von Gesichtsnerven kann zwar auch bei einer Borreliose auftreten, beweisend ist das aber keinesfalls. Hier muss immer eine serologische Abklärung (der Antikörpertest im Blut) durchgeführt werden. Symptome wie Nervenschmerzen unklarer Ursache bzw. wandernde Gelenkschmerzen können mögliche Symptome einer Borreliose sein; ein Antikörpertest ist jedoch zur Absicherung unverzichtbar. Wenn dieser negativ ausfällt, dann stehen diese Beschwerden nicht in Zusammenhang mit einer Borrelien-Infektion.
Kopfschmerzen, Müdigkeitssyndrom (Fatigue) oder kognitive Auffälligkeiten sind in keiner Weise prädiktiv für eine Borreliose. Der Vorhersagewert für diese Symptome liegt unter einem Prozent.
6. Patienten, die an einer Fatigue und/oder kognitiven Störungen (Gedächtnisproblemen) leiden, haben eine Borrelieninfektion des Gehirns (ZNS). Diese Aussage ist falsch.
Lediglich bei ca. 10 Prozent der mit Borrelien Infizierten kommt es auch zu einer Beteiligung des Gehirns immer Sinne einer Hirnhautentzündung (Meningitis).
Wenn Patienten mit einer aktiven Borreliose ein Müdigkeitssyndrom (Fatigue) und/oder kognitive Störungen entwickeln, dann hat das nur indirekt etwas mit der Borrelien-Infektion zu tun. Wie bei anderen Infektionen auch, kann es zu einer sogenannten metabolischen Enzephalopathie kommen, deren Symptome u.a. Fatigue und kognitive Störungen sein können.
7. Eine Borreliose kann tödlich verlaufen. Diese Aussage ist, nach Datenlage, extrem unwahrscheinlich und deshalb unseriöse Panikmache.
In den USA aber auch in Deutschland gibt es zwei gegensätzliche Lager in der Diskussion um die Borreliose. Lesen Sie dazu einen Kurzkommentar in der Ärztezeitung vom 28.01.2013.
Unter dem Aspekt der aktuellen Veröffentlichung des US-Instituts, halte ich verschiedene Publikationen in Deutschland von Fachgesellschaften zu diesem Thema zumindest für überholungswürdig. (Winfried Miller)