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Neuroprotektion – Schlaganfallbehandlung heute

Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute, um Hirnschäden zu begrenzen. Das Ziel ist es, Betroffene schnell in eine Klinik zu bringen, wo verstopfte Gefäße wieder geöffnet oder Hirnblutungen gestoppt werden können. Diese Methoden, Lyse und Thrombektomie, haben die Überlebenschancen und Erholungsmöglichkeiten stark verbessert. Allerdings sind nur wenige Patienten für diese Behandlungen geeignet. Nur etwa 20 Prozent der Schlaganfallpatienten erhalten eine Lyse, und Thrombektomien werden noch seltener durchgeführt. In Deutschland gibt es jährlich etwa 260.000 Schlaganfälle, aber nur rund 16.000 Thrombektomien.

Herausforderungen nach der Behandlung

Viele Schlaganfallpatienten erholen sich trotz Behandlung nur langsam und unvollständig. Selbst nach einer erfolgreichen Wiederherstellung der Durchblutung (Reperfusion) können Schäden auftreten. Diese sogenannten Reperfusionsschäden entstehen durch die Überproduktion reaktiver Sauerstoffverbindungen, wenn das Gehirn wieder mit Sauerstoff versorgt wird. Weitere Faktoren wie Azidose (Übersäuerung), Entzündungen und Exzitotoxizität (Zellschädigung durch übermäßige Erregung) tragen ebenfalls zur Schädigung des Gehirns bei.

Neue Ansätze zur Verbesserung der Erholung

Forscher suchen nach Wegen, um diese schädlichen Prozesse zu verhindern und die Regeneration des Hirngewebes zu fördern. Bisher sind viele dieser Versuche gescheitert, aber einige neue Ansätze zeigen vielversprechende Ergebnisse.

Fernkonditionierung (Remote Ischemic Conditioning – RIC)

Ein neuer Ansatz ist die Fernkonditionierung. Hierbei wird durch künstlich herbeigeführte periphere Ischämie (Durchblutungsstörung an entfernten Körperstellen) das Gehirn widerstandsfähiger gegen Schlaganfälle gemacht. Studien haben gezeigt, dass diese Methode neuroprotektive Faktoren freisetzen und positive immunologische Reaktionen auslösen kann. Allerdings sind die Ergebnisse widersprüchlich und hängen stark vom Zeitpunkt und der Intensität der Anwendung ab.

Studienergebnisse

Eine Studie aus China (RICAMIS) mit fast 1.900 Teilnehmern zeigte, dass die Fernkonditionierung bei moderaten ischämischen Schlaganfällen zu einer signifikant besseren funktionellen Erholung führt. Patienten erhielten zweimal täglich für 10-14 Tage eine Behandlung, bei der Manschetten an den Oberarmen aufgepumpt und wieder abgelassen wurden. 67 Prozent der Patienten mit RIC erreichten ein gutes funktionelles Ergebnis, verglichen mit 62 Prozent ohne diese Behandlung.

Eine dänische Studie (RESIST) mit 1.500 Teilnehmern hingegen fand keinen relevanten Unterschied in der funktionellen Erholung zwischen den Gruppen mit und ohne RIC. Hier wurde die Behandlung bereits im Krankenwagen begonnen und nach bestätigtem Schlaganfall für sieben Tage fortgesetzt. Die Sterblichkeitsrate war jedoch in der RIC-Gruppe etwas niedriger.

Fazit

Trotz der Fortschritte bei Schlaganfallbehandlungen bleibt die vollständige und schnelle Erholung für viele Patienten schwierig. Neue Methoden wie die Fernkonditionierung bieten Hoffnung, aber ihre Wirksamkeit hängt von vielen Faktoren ab. Es bedarf weiterer Forschung, um diese Ansätze zu optimieren und ihre Anwendung zu standardisieren.

Hintergrundinformationen zur RIC:

Remote Ischemic Conditioning (RIC) bezeichnet eine medizinische Technik, bei der wiederholte kurze Episoden von Ischämie (eingeschränkte oder unterbrochene Blutversorgung) und Reperfusion (Wiederherstellung der Blutversorgung) in einem entfernten Gewebe, wie z. B. einem Arm oder Bein, künstlich erzeugt werden, um entfernte Organe, wie das Herz oder das Gehirn, vor ischämischen Schäden zu schützen.

Das Prinzip hinter RIC basiert auf der Idee, dass die wiederholte Ischämie in einem entfernten Körperteil eine Schutzreaktion in entfernten Organen auslöst, die sie widerstandsfähiger gegen ischämische Ereignisse macht, wie sie beispielsweise bei einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall auftreten. Diese Methode wird untersucht und angewendet, um die Schädigung von Organen zu reduzieren, die durch ischämische Ereignisse verursacht werden, indem eine Art „Vorkonditionierung“ geschaffen wird.

Typischerweise wird RIC durch das Aufpumpen einer Blutdruckmanschette am Arm oder Bein durchgeführt, um die Blutversorgung temporär zu unterbrechen und anschließend wiederherzustellen. Dieser Zyklus wird mehrmals wiederholt. Die genauen Mechanismen, durch die RIC seine Schutzwirkung entfaltet, sind noch nicht vollständig verstanden, es wird jedoch angenommen, dass hormonelle und neuronale Signale sowie die Freisetzung von Schutzstoffen beteiligt sind.

RIC wird in der klinischen Forschung intensiv untersucht, insbesondere im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen, aber auch in anderen Bereichen wie der Neuroprotektion bei Schlaganfällen. Es handelt sich um eine nicht-invasive und relativ einfache Methode, die potenziell große Vorteile in der Prävention und Behandlung von ischämischen Schäden haben könnte.

RIC wird aktuell in der Fachwelt durchaus kontrovers diskutiert. Viele Neuro-Spezialisten stören sich an der Einfacheit der Massnahme und verweisen auf eine dänische Studie, in der dieser positive Effekt durch RIC nicht nachgewiesen werden konnte.

Deutsche Gesellschaft für Neurologie – DGN

wm