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Welche Rolle spielen Enzyme im menschlichen Organismus?

Enzyme sind aus Aminosäuren zusammengesetzte Eiweiße. Enzyme beschleunigen im Körper die lebenswichtigen chemischen und biologischen Reaktionen in den Körperzellen. Es gibt mehr als 10000 verschiedene Enzyme im menschlichen Organismus; davon sind bisher erst ca. 3000 erforscht. Ohne die verschiedenen Enzyme könnte der menschliche Organismus nicht überleben.

Welche Bedeutung hat die systemische Enzymtherapie in der modernen Medizin?

Die systemische Enzymtherapie ist seit mehr als 60 Jahren weltweit eine therapeutische Option in der naturheilkundlich-orientierten Medizin. Millionen von Patienten haben in diesem Zeitraum Enzymkombinationspräparate bei den verschiedensten Beschwerden eingenommen. Der häufigste Grund für die Einnahme von Enzymen sind akute und chronische Entzündungen im Körper. Während man in den anfänglichen 30 Jahren der systemischen Enzymtherapie die positiven Wirkungen der Enzyme bei Patienten beobachten konnte, konnte man jedoch den Wirkmechanismus noch nicht befriedigend erklären.
Anfang der 90er Jahre im vorigen Jahrhundert wurden in der modernen Medizin immunologische und molekularbiologische Erkenntnisse und Zusammenhänge bekannt, die auch den Wirkmechanismus der systemischen Enzymtherapie aufklären konnten. Es hat sich gezeigt, dass die systemische Enzymtherapie, unter den Gesichtspunkten der modernen Medizin, ein wirksames, immunologisch hochaktuelles und nebenwirkungsarmes Therapieprinzip darstellt.

Welche Bedeutung bietet eine Kombination von verschiedenen Enzymen?

Die in der systemischen Enzymtherapie seit vielen Jahrzehnten genutzten Enzyme gehören zur Klasse der sogenannten Proteasen. Diese Proteasen sind natürliche Enzyme und kommen in der Natur vor. Bromelain wird aus Teilen der Ananas, Papain von der Papaya gewonnen. Trypsin und Chymotrypsin kommen in den Bauchspeicheldrüsen von Säugetieren vor und werden durch aufwändige Extraktionsverfahren gewonnen und gereinigt.

Jedes dieser Enzyme hat spezielle Eigenschaften. So kann Bromelain z.B. sehr gut Ödeme reduzieren, Papain kann seine Vorteile bei chronischen Entzündungen ausspielen, Trypsin und Chymotrypsin verbessern nachhaltig die Fließeigenschaften des Blutes, so dass Entzündungsherde besser durchblutet und Entzündungsstoffe schneller abtransportiert werden können.

Erst die Nutzung von Kombinationen dieser verschiedenen Enzyme eröffnet dem Therapeuten als auch dem Nutzer von Enzympräparaten das gesamte Spektrum der Möglichkeiten.

Welchen Stellwert haben Erkrankungen wie Rheuma und Arthrose im Praxisalltag von Orthopäden und Rheumatologen?

Entzündliches Rheuma ist eine Erkrankung, die primär in die therapeutischen Hände eines Rheumatologen gehört. Die systemische Enzymtherapie eignet sich dabei hervorragend als ergänzende therapeutische Option, um den hohen Entzündungsdruck zu reduzieren. Oftmals gelingt es, die klassische Rheuma-Medikation in der Dosierung zu reduzieren. Das sollte aber stets nur vom Therapeuten veranlasst werden.

In der täglichen Praxis des Orthopäden spielen entzündliche Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates eine beherrschende Rolle. Soweit es sich um entzündlich-rheumatische Erkrankungen handelt, wird der Orthopäde den Patienten zusammen mit einem Rheumatologen betreuen. Eine der häufigsten Beschwerden, die von Patienten beim Orthopäden genannt werden, sind Schmerzen in den verschiedensten Gelenken. Häufig handelt es sich dabei um akut aktivierte Entzündungen von arthrotisch veränderten Gelenken. Knie- und Hüftarthrosen sind dabei vorherrschende Krankheitsbilder. Aber auch die degenerativen Veränderungen der kleinen Wirbelkörpergelenke sind oftmals Anlass, dass Patienten einen Orthopäden aufsuchen.

Üblicherweise werden Patienten mit akut aufgetretenen Schmerzen in Gelenken jedoch zuerst zum Hausarzt gehen. Dort wird dann eine erste Diagnose gestellt. In der Regel wird der Hausarzt ein entzündungshemmendes Präparat verordnen (z.B. Diclofenac, ein NSAR-Präparat). In Kenntnis des nicht unerheblichen Nebenwirkungsspektrums dieser Medikamentengruppe (NSAR) empfiehlt eventuell bereits der Hausarzt einen Therapieversuch mit Enzymkombinationen. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass Enzymkombinationen genauso gut schmerz- und entzündungslindernd wirken, wie die kostengünstigen aber nebenwirkungsreichen NSAR-Präparate.

In immer mehr Hausarzt- und Orthopädiepraxen werden deshalb Enzymkombinationen als hilfreiche und sinnvolle Alternative zu NSAR-Präparaten empfohlen.

Welches Altersspektrum haben diese Patienten?

Entzündliches Rheuma kann alle Altersgruppe betreffen. Bereits im Kindes- und Jugendalter können entzündlich-rheumatische Erkrankungen auftreten. Diese jungen Patienten gehören unbedingt in die therapeutische Obhut von spezialisierten rheumatologischen Praxen. Im Erwachsenenalter erstmals festgestelltes entzündliches Rheuma mit drohender Zerstörung der Gelenkstrukturen gehört ebenfalls konsequent von Rheumatologen therapiert. Um die Prognose dieser Patienten langfristig zu verbessern, darf nicht zu spät mit einer zielgerichteten Therapie begonnen werden. In jeder Altersgruppe können ergänzend Enzymkombinationen gegeben werden.

Der klassische Arthrose-Patient hat ein fortgeschrittenes Alter. Arthrose ist eine degenerative Erkrankung (Abnutzungserscheinung) von Gelenkstrukturen. Dieser degenerative Prozess im Gelenk kann sich über viele Jahre hinziehen, ohne dass der Patient bedeutsame Beschwerden hat. Irgendwann jedoch wird sich das derart veränderte Gelenk melden und damit eine akute Reaktion auslösen. Schwellung, Rötung, Überwärmung, Funktionseinbuße und starke Schmerzen sind spürbare und sichtbare Reaktionen des Immunsystems des betroffenen Patienten. In dieser Phase der aktivierten bzw. reaktivierten Arthrose sind Enzymkombinationen entzündungsregulierend, abschwellend und dadurch schmerzlindernd. Die Wirkung von Enzymkombinationen ist vergleichbar mit der Wirkung von NSAR-Präparaten, aber ohne deren typischen Nebenwirkungen.

Worauf kommt es bei der Behandlung von entzündlichen Gelenkbeschwerden an?

Man muss hierbei unterscheiden zwischen akuten und chronischen Gelenkbeschwerden.
Bei akuten Gelenkbeschwerden muss die initiale, entzündungshemmende Medikation in der Dosierung so gewählt werden, dass damit die Schmerzen innerhalb von Stunden gelindert werden. Das gelingt in der Regel sehr gut mit den klassischen NSAR-Präparaten wie Diclofenac, Ibuprofen etc. Gibt man bereits zu Beginn der Behandlung ein Enzymkombinationspräparat dazu, kann das NSAR-Präparat nach drei Tagen bereits wieder abgesetzt werden und die weitere Behandlung erfolgt ausschließlich mit dem Enzympräparat bis zur nachhaltigen Schmerzlinderung. Dadurch werden die unerwünschten Nebenwirkungen der NSAR-Präparate seltener auftreten.

Bei chronischen Gelenkbeschwerden, ohne akute Schmerzsymptomatik, kann gleich eine Therapie mit Enzymkombinationen erfolgen. Diese Therapie muss ausreichend lang durchgeführt werden. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Enzympräparate mindestens 6 Wochen bis 3 Monate genommen werden sollten, um eine anhaltende Beschwerdereduktion zu erreichen.

Welche Risiken sehen Sie bei der langfristigen Einnahme von Schmerzmitteln?

In diesem Zusammenhang muss man zwischen den klassischen Schmerzmitteln (z.B. Paracetamol, Tramadol, Tilidin, Metamizol etc.) und den entzündungshemmenden Präparaten (z.B. Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Coxibe etc) unterscheiden. Die klassischen Schmerzmittel reduzieren die Wahrnehmung von Schmerzen, die entzündungshemmenden Präparate reduzieren den Entzündungsdruck im betroffenen Gewebe und dadurch die lokale Schmerzsituation.

Klassische Schmerzmittel haben, wie auch die klassisch-entzündungshemmenden Präparate, ein bekanntes, breites Nebenwirkungsspektrum. Leberschädigungen unter Paracetamol, Knochenmarksschädigungen unter Metamizol, Magenblutungen unter Diclofenac und anderen NSAR-Präparaten sind bekannte Risiken. Im vergangenen Jahr (2011) wurden in einigen international bedeutenden Fachzeitschriften weitere Nebenwirkungen von Präparaten aus der NSAR-Gruppe (v.a. Diclofenac) beschrieben. So konnte nachgewiesen werden, dass die Raten an Herzinfarkten, Herzrhythmusstörungen und Schlaganfällen bei bereits kurzfristiger Einnahme von Diclofenac und anderen NSAR-Präparaten deutlich erhöht sind (bis um den Faktor x 4!).

Was können Betroffene zusätzlich zu einer medikamentösen Therapie tun? Wie wichtig ist Sport für Menschen mit chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen?

Wenn der Patient eine akute Schmerzsymptomatik bei akut-entzündlicher Gelenkerkrankung hat, wird er das betroffene Gelenk bevorzugt schonen. Bei akuter Entzündungssymptomatik ist eine Kühlung des Gelenks mit geeigneten Maßnahmen immer schmerzlindernd.

Bei chronisch-entzündlichen Gelenkentzündungen kommt es neben der wirksamen entzündungsregulierenden medikamentösen Therapie wesentlich darauf an, dass die bei Entzündungen immer auftretenden Entzündungsprodukte (eiweißhaltige Substanzen) nicht zu Verklebungen von Gelenkstrukturen führen. Deshalb ist eine konsequente Bewegungstherapie der Gelenke unter fachkundiger Anleitung (Physiotherapeut) dringend notwendig. Jeder geschulte Therapeut wird dem betroffenen Patienten geeignete sportliche Aktivitäten und Übungseinheiten nennen können, die er auch zuhause ausführen kann.

Das Interview führte MIS – Medicine Information Services GmbH mit Dr. Dr. med. Winfried Miller, Kempten/Allgäu.